Neil Young - Psychedelic Pill
 
Neil Young soll Steve Jobs zu Lebzeiten mal versucht haben zu einem I-Tunes Shop zu überreden, in dem es nur Songs in höchster Auflösung gibt. High End für Gitarrenfans wie ihn. Wenn Neil Young auf „Psychedelic Pill“ mit dem ersten Song ansetzt und über 27 Minuten keine Ruhe gibt, dann bekommt man eine Idee davon, was Neil Young vorschwebte, als er sich für unkomprimierte Musik einsetzte. „Driftin `back ist gewaltig. Nicht enden wollende Gitarrensoli, mit ein paar Verspielern, aber so pur, wie zuletzt vor 20 Jahren. Natürlich ist der Song zu lang und man erschreckt sich fast, wenn Neil Young nach 10 Minuten purem Gitarrensound plötzlich noch einmal mit dem Gesang einsetzt, aber wann war ein neues Neil Young Album zuletzt ein solches Erlebnis? Es ist nicht nur der Song, es ist das Gesamtwerk. Was sich psychedelisch ankündigt, findet im zweiten Song, dem Titeltrack, seine Fortsetzung. Die Gitarre weint, im sich immer weiter entfernenden Soundgewitter. Neil Young und Crazy Horse pokern hoch und spielen so, als würden sie sich um die Vergangenheit einen Dreck scheren, denn sie spielen im hier und jetzt. Dass dabei wunderschöne Melodien aus dem Hut gezaubert werden, dass immer wieder diese mehrstimmigen Gesänge in den Vordergrund treten und überhaupt, dass es gleich ein Doppelalbum geworden ist, dafür möchte man dem Helden des Rock’n Roll Epos danken. Der Rock’n Roll kehrt tatsächlich so klassisch zurück, wie lange nicht. Party Girls in einem schmucken Kleid, rastlos „auf der Suche  nach einer guten Zeit“. “No dark night exists that they cannot bring light to”, sagt Young über sein weibliches Original, geschrieben in einer kurzen, selbst verfassten Einleitung zu dem Song. Und dann kommt plötzlich “Ramada Inn” um die Ecke. Ein Trip über die Highways, immer der sinkenden Sonne entgegen, bis es dunkel ist. Ein Paar auf einem Road-Trip, glücklich und verliebt wie zu ihren Anfangstagen, sogar nach „all those good times, ups and downs/ So many joys raisin’ those kids.” Auch wenn es manchmal hart ist und man gemeinsam die Hürden aus seinem Leben wegräumen muss, so scheint trotz aller Mühen doch jeden Morgen wieder die Sonne: “Every mornin’ comes the sun / and they both rise unto the day.” In seinen Liner-Notes sagt Young dazu: “Remembering the long grade, you take the time to count your friends.” Mit seinen langen, ausufernden Gitarrensoli schenkt Young seinem Text die passenden Konturen, haucht den Protagonisten und ihrer Geschichte mithilfe seiner Saiten Leben und Seele ein. Das ist so ungeheuer gelungen, dass man dieses Album wieder und wieder hören wird. Ach, und noch etwas, im nächsten Jahr will Neil Young seinen eigenen Downloadshop ins Leben rufen. Dann wird es auch dieses großartige Werk in noch besserer Auflösung geben. Nur wenige Anlagen, die in den letzten 10 Jahren gekauft wurden, werden in der Lage sein, das überhaupt noch abzubilden.
 
Als CD, als Download und demnächst auch auf Vinyl erhältlich (wehe nicht)
 
 
Neil Young
Donnerstag, 8. November 2012